Revolution

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Die Erzgebirgsbahn ist immer für eine kleine Geschichte gut. Ich fahre ja zur Zeit vom Bahnhof in der Stadt ab. Mein Vater wohnt gleich in der Nähe, bei ihm lasse ich früh mein Fahrrad, mit dem ich am Nachmittag unser großes Kind aus dem Kindergarten abhole. Ein Bahnhof ist eine „Betriebsstelle mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, kreuzen und überholen dürfen.“ So stand es jedenfalls in den Fahrdienstvorschriften der Deutschen Reichsbahn. Das mit dem kreuzen wollten sie an meinem Bahnhof offensichtlich mal so richtig ausprobieren. Als ich ankam, war gerade eine Durchsage zu hören: Mein Zug verkehre heute von Gleis krrrschzzzzzsssstbrz. Wie haben sie das gemacht? Genau der Teil der Information, auf den es ankam, verschwand in einem akustischen Nebel. Immerhin kamen die Leute auf dem Bahnsteig jetzt in Bewegung. Auf dem Bahnsteig für den Gegenzug war nun eine entsprechende Durchsage zu hören, glasklar, nur die entscheidende Info war wieder verstümmelt. Oder war sie verschlüsselt? Konnte sie nur von Reisenden gehört und verstanden werden, die das Zusatzticket zum Deutschlandticket gebucht oder die BahnCard 100 hatten? Immerhin war das Ganze auch ohne Info nicht schwer zu erraten, denn es gibt nur vier Gleise und man muss auch keine Tunnel oder Brücken passieren. Am Ende war es so, dass die Züge jeweils an meinem Bahnhof endeten und wieder dorthin zurückfuhren, wo sie hergekommen waren.

Ein anderes Mal wollte ich mit der Bahn nach Hause fahren, aber am Gleis stand kein Zug, obwohl in der Ankunft schon überfällig. Durchgesagt oder angezeigt wurde diesmal einfach gar nichts. Halt, das stimmt nicht, denn als die Abfahrtszeit heranrückte, kam eine Banddurchsage, der Zug stünde am Gleis 8 zur Abfahrt bereit. Wären wir Lemminge, wir hätten uns über die Bahnsteigkante ins Gleis hinuntergestürzt. So standen wir stumm und versuchten unsere Fassungslosigkeit voreinander zu verbergen. Die Bahn kam schließlich mit einiger Verspätung und der Triebfahrzeugführer nuschelte im Losfahren, es wären spielende Kinder im Gleis gewesen.

Aber das sind eben die kleinen Geschichten, die keinen interessieren. Die große Meldung von heute ist nichts weniger, als eine Revolution: die ICE-Revolution. Der Reisende von heute wolle mehr Privatsphäre, das haben sie jetzt herausgefunden. Darum fahren so viele mit dem Auto. Demnächst kann man möglicherweise auf einem Einzelsitz über die Schiene fliegen und die Tür zumachen. Eingepfercht wie in einer Isetta. Fehlt nur noch ein Lenkrad zum wegklappen, mit dem das große Kind lenken  kann. Ach, wird das schön.